Generationenwechsel in der europäischen Landwirtschaft
Der Generationenwechsel in der Landwirtschaft ist eine Herausforderung mit vielen Facetten – doch auch eine große Chance. Mit der richtigen Kombination aus politischen Maßnahmen, wirtschaftlicher Unterstützung und gesellschaftlicher Anerkennung kann Europa eine neue Generation von Landwirtinnen und Landwirten hervorbringen, die eine zukunftsfitte Landwirtschaft gestalten.
Generationenwechsel in der Landwirtschaft: Weichenstellung für die Zukunft Europas
Der Generationenwechsel in der europäischen Landwirtschaft zählt zu den dringendsten Herausforderungen der kommenden Jahrzehnte. Während Höfe vielerorts seit Generationen weitergegeben werden, wird der Übergang zunehmend komplexer. Demografische Veränderungen, steigende Bodenpreise, fehlende Nachfolgerinnen und Nachfolger, Fachkräftemangel, rechtliche Rahmenbedingungen rund um Erbschaft und Pension sowie tief verwurzelte kulturelle Praktiken beeinflussen maßgeblich, wie reibungslos oder schwierig eine Hofnachfolge gelingt.
Bereits seit den 1980er-Jahren ist die Förderung der Junglandwirtinnen und -wirten ein zentrales Anliegen der Gemeinsamen Agrarpolitik. Doch trotz verschiedener Unterstützungsmaßnahmen bleibt der Fortschritt ungleich verteilt: In manchen Regionen gelingt die Übergabe vergleichsweise gut, während in anderen viele landwirtschaftliche Betriebe mangels Nachfolge schließen müssen. Damit stehen nicht nur einzelne Familienbetriebe, sondern ganze ländliche Räume vor großen Herausforderungen.
Politische Dynamik: Ein entscheidender Moment für Europas Agrarsektor
Das Thema erhält aktuell neue politische Aufmerksamkeit. Die Europäische Kommission veröffentlichte im Oktober 2025 eine umfassende Generational Renewal Strategy, zudem wird die nächste GAP-Periode ab 2027 ein eigenes Maßnahmenpaket zum Generationenwechsel beinhalten. Parallel dazu hat Irland kürzlich einen nationalen Bericht zur Erneuerung der Generationen in der Landwirtschaft veröffentlicht – ein Beispiel dafür, wie Mitgliedstaaten die drängenden Fragen der Hofnachfolge stärker in den Fokus rücken.
Diese Entwicklungen verdeutlichen: Die kommenden Jahre werden entscheidend dafür sein, ob Europa genügend junge Menschen für die Landwirtschaft gewinnen kann – und ob bestehende Betriebe erfolgreich in die nächste Generation übergehen.
Ein Blick auf Wissen, Erfahrungen und Zukunftsstrategien
Vor diesem Hintergrund fand ein virtuelles Seminar statt, das gemeinsam mit dem Sekretariat und den Mitgliedern des EU-weiten Forschungsnetzwerks ‚EURAGRI‘ organisiert wurde. Es brachte führende Stimmen aus Landwirtschaft, Politik und Forschung aus ganz Europa zusammen, um den aktuellen Stand der Erkenntnisse zum Generationenwechsel zu beleuchten. Im Mittelpunkt stand die Frage, welche Erkenntnisse aus bisherigen Erfahrungen gezogen werden können – und welche Strategien und Maßnahmen sich abzeichnen, um den Prozess künftig zu stärken.
Die Vortragenden haben dabei nicht nur Herausforderungen identifiziert, sondern auch innovative Ansätze aus den EU-Ländern miteinander und dem Publikum diskutiert: angefangen bei neuen Modellen der Hofübergabe über Bildungs- und Förderprogramme bis hin zu politischen Rahmenbedingungen, die jungen Menschen den Einstieg in die Landwirtschaft erleichtern. Das ganze Seminar gibt es in Kürze auch online zum nachschauen (auf englischer Sprache) -> EURAGRI CLG Workshops | European Agricultural Research Initiative (EURAGRI CLG)
Eine Österreichische Perspektive zur Hofnachfolge und Ergebnisse einer aktuellen Studie im Rahmen der Bildungsinitiative Diversifizierung mit dem Titel „Business ideas and strategies for farm succession in Austria“ brachte Prof. Leopold Kirner von der HAUP durch seinen Vortrag und Diskussionsbeiträge in das Seminar ein. Im Rahmen dieser Studie wurden 606 Hofübernehmerinnen und Hofübernehmer in Österreich im Februar 2025 telefonisch befragt und deren neue Geschäftsideen identifiziert. Bei den Strategien dominieren zwei klare Hauptbereiche: zum einen Anpassungen in der Tierhaltung, dies ist mit über 25 % der häufigste Weg, etwa durch die Umstellung von Milch- auf Mutterkuhhaltung oder mehr Tierwohl. Und zum anderen die Direktvermarktung, sowohl veredelte Produkte als auch Rohprodukte spielen hier eine zentrale Rolle für die Wertschöpfung. Generell konnte auf der Basis der Aussagen der jungen Landwirtinnen und Landwirte festgestellt werden, dass Hofübernehmerinnen und Hofübernehmer motiviert sind und Perspektiven erkennen, sie benötigen dafür aber unternehmerische Freiheit, um ihre oft nischenbasierten Strategien jenseits der Massenproduktion umzusetzen.
Perspektiven für eine nachhaltige Zukunft der ländlichen Räume
Der Generationenwechsel ist mehr als ein rein ökonomisches Thema. Funktionierende Familienverhältnisse, eine ausgeprägte intrinsische Motivation, gute Vernetzung sowie die Diversifizierung der Betriebe werden dabei als Erfolgsfaktoren gesehen. Er berührt die soziale Struktur ländlicher Regionen, die ökologische Zukunft der Land(wirt)schaft und die Fähigkeit Europas, stabile und nachhaltige Ernährungssysteme aufzubauen.
Ein gelingender Übergabeprozess bedeutet:
- Wirtschaftliche Stabilität durch fortgeführte (Familien-)betriebe
- Ökologische Vorteile durch gezielte Investitionen der Junglandwirt:innen in nachhaltige Technologien
- Soziale Resilienz durch lebendige ländliche Gemeinschaften
Durch den Austausch vielfältiger Perspektiven trägt das Seminar dazu bei, klare nächste Schritte für die kommenden 25 Jahre zu identifizieren – Schritte, die sowohl die Wettbewerbsfähigkeit als auch die Nachhaltigkeit des europäischen Agrarsektors stärken.