Rückblick: Impulstag zu Kooperativen Multifunktionshäusern in St. Johann in Tirol
Wie entstehen lebendige Ortskerne im ländlichen Raum? Beim Impulstag am 9. Oktober 2025 in St. Johann in Tirol wurde das Konzept Kooperative Multifunktionshäuser als Orte der Begegnung, Gemeinschaft und Mitgestaltung vorgestellt.
Am 9. Oktober 2025 fand im Hotel Post in St. Johann in Tirol ein inspirierender Impulstag zu Kooperativen Multifunktionshäusern (KMH) unter dem Motto „Lebendige Ortskerne – Bürger:innen als Partner:innen“ statt. Über 20 Teilnehmende – darunter Bürgermeister der Gemeinde St. Johann in Tirol Mag. Seiwald – diskutierten gemeinsam, wie Kooperative Multifunktionshäuser als Orte für Begegnung, Zusammenarbeit und Gemeinschaft im ländlichen Raum entstehen können.
Die Veranstaltung wurde vom Team von Plansinn organisiert und von Michael Hohenwarter und Hanna Posch moderiert.
Kooperative Multifunktionshäuser – mehr als nur Gebäude
Kooperative Multifunktionshäuser entstehen oft aus einem konkreten lokalen Bedürfnis – z. B. dem Wegfall eines Nahversorgers – und werden meist von engagierten Menschen aus Gemeinde, Zivilgesellschaft und Wirtschaft getragen.
Im Zentrum steht nicht das Gebäude, sondern die Gemeinschaft, betonte Michael Hohenwarter: „Kooperative Multifunktionshäuser sind keine starren Konzepte, sondern entwickeln sich aus dem, was vor Ort gebraucht wird.“
Inspirierende Gute-Beispiele
Im Fokus des Tages standen drei Praxisprojekte, die zeigten, wie lebendige Ortskerne entstehen können. Zu jedem Projekt war mindestens eine Person anwesend, die direkt am Projekt beteiligt war und beim Impulstag darüber berichtete. Die Teilnehmer:innen hatten die Möglichkeit, Fragen zu stellen und in den direkten Austausch zu gehen.
• Dorfhaus Steinberg am Rofan:
Das Projekt entstand aus der Herausforderung, dass die meisten Gemeindebewohner:innen auspendeln müssen, der letzte Nahversorger geschlossen hatte und auch der einzige Wirt seinen Betrieb einstellte. Es war klar: Es brauchte eine Veränderung. Doch was sich in der Gemeinde ändern sollte, sollte nicht von der Gemeinde allein entschieden werden – daher wurde ein Bürger:innenrat initiiert. Dieser Bürger:innenrat gab den Anstoß zur Planung, eine Investorin wurde gefunden, und so entstand ein multifunktionaler Treffpunkt mit Gastronomie und Veranstaltungsräumen.
Der Begleiter des Bürger:innenrats, Rainer Krismer, betonte beim Impulstag in St. Johann in Tirol, wie wichtig die Verteilung der Verantwortung auf viele Schultern für den Erfolg des Projekts war.
• Alte Schule Neustift:
Beim Impulstag wurde das Projekt von Initiator und Künstler Robert Purtscheller vorgestellt. Es handelte sich um einen temporären kulturellen Treffpunkt in leerstehenden Schulgebäuden. Trotz erfolgreicher Nutzung und großer Nachfrage scheiterte das Projekt an Haftungsfragen und baulichen Herausforderungen. Die Initiative zeigte jedoch deutlich den Bedarf an kostenfreien, gemeinschaftlich nutzbaren Räumen.
• Homebase St. Johann:
Die beiden Initiatoren Andreas Franze und Thomas Brandtner berichteten beim Impulstag von ihrem privaten Engagement, das zur Gründung eines offenen Begegnungsortes führte. Nach dem Prinzip „Pay as you wish“ fördert die Homebase Gemeinschaft und spendet einen Großteil der Einnahmen an karitative Projekte in der Region. Die Philosophie der Homebase ist es, einen offenen Raum für alle in der Gemeinde zu schaffen – einen Ort, der die Gemeinschaft stärkt und es Menschen ermöglicht, ihre Ideen umzusetzen. Die aktive Mitgestaltung durch Bürger:innen sowie der rasche Umbau der Räumlichkeiten in der Kaiserstraße 29a zeigen die Kraft von Co-Kreation und Engagement.
Drei Projekte – drei Wege zur Teilhabe
Ob aus einem Bedürfnis in der Gemeinde, einem leerstehenden Gebäude oder der Idee engagierter Einzelpersonen entstanden – die drei vorgestellten Projekte zeigen auf unterschiedliche Weise, wie gesellschaftliche Orte entstehen können. Was sie verbindet: Menschen mit Visionen, der Mut, Verantwortung zu übernehmen, und Strukturen, die Teilhabe ermöglichen.
Stadtspaziergang & Besuch der Homebase
Die Homebase wurde direkt vor Ort besucht. Auf dem Weg dorthin lud Bürgermeister Stefan Seiwald die Teilnehmenden zu einem kurzen Stadtspaziergang durch St. Johann in Tirol ein. Anschließend kamen alle in der Homebase zusammen, wo die Gründer Thomas Brandtner und Carlo Chiavistrelli über den Entstehungsprozess und die Entwicklung der Homebase berichteten. Dabei betonten sie ihre gemeinsame Vision, etwas Neues zu schaffen – getragen von den Werten „Offenheit“, „Inspiration“ und „Irritation“ als Grundpfeilern.
Die Teilnehmenden hatten anschließend die Möglichkeit, Fragen zu stellen. Danach folgte ein Rundgang durch die Räumlichkeiten der Homebase.
Austausch & Vertiefung
Am Nachmittag wurden die zentralen Schritte zur Umsetzung eines Kooperativen Multifunktionshauses anhand des Leitfadens- zur gemeinsame Umsetzung vorgestellt. Beim anschließenden World Café diskutierten die Teilnehmenden zu drei zentrale Fragen: Wie starten wir Projekte? Wie entsteht Verantwortung? Und wie bleibt ein Multifunktionshaus lebendig?
Die Teilnehmenden betonten, wie wichtig inspirierende Beispiele und das „Einfach-mal-Machen“ für den Projektstart sind. Mut, eine gemeinsame Vision – und auch die Erlaubnis, scheitern zu dürfen – schaffen Handlungsspielräume. Bürger:innenräte wurden als hilfreiches Instrument genannt, um Bedarfe sichtbar zu machen und Ideen zu entwickeln.
Verantwortung entsteht dort, wo Menschen mitdenken und mitgestalten können. Unterschiedliche Talente sollten eingebunden werden – mit klaren Rollen, echter Wertschätzung und Raum für persönliches Engagement. Eine gute Fehlerkultur und achtsamer Umgang stärken den Zusammenhalt.
Damit ein Multifunktionshaus lebendig bleibt, braucht es Offenheit für neue Menschen und Ideen – und die Bereitschaft, Verantwortung auch wieder abzugeben. Selbstwirksamkeit, Leichtigkeit und Freude im Tun sind zentrale Erfolgsfaktoren. Sichtbarkeit nach außen und Klarheit nach innen runden das Bild ab.
Besonders deutlich wurde: Kooperative Multifunktionshäuser sind Orte für gemeinschaftliches Handeln – und ein wichtiger Beitrag für lebendige Ortskerne.