Anna Jansel im Interview: Was Netto-Null-Flächeninanspruchnahme für Gemeinden bedeutet

Anna Jansel steht vor ihrer Präsentation
Foto: BMLUK/Jansel

Anna Jansel hat in ihrer Masterarbeit erforscht, wie Flächenkreislaufwirtschaft auf Gemeindeebene gelingen könnte. Die BMLUK-Stipendiatin erzählt in einem Interview von ihrer Motivation, Methodik und Erkenntnissen.

Das europäische Ziel bis 2050 einen „Netto-Null-Flächenverbrauch“ zu erreichen wurde in Österreich bislang kaum diskutiert und wissenschaftlich bearbeitet. Warum haben Sie dieses Thema für Ihre Diplomarbeit gewählt?

Meine Ausbildung an der HBLFA Raumberg-Gumpenstein hat mir früh die Bedeutung eines achtsamen Umgangs mit der endlichen Ressource Boden vermittelt – für die Ernährungssicherung, aber auch für Biodiversität, Wasserkreislauf und Klimaschutz. Im BOKU-Masterstudium „Landschaftsplanung und Landschaftsarchitektur“ wurde ich auf das Ziel der Netto-Null-Flächeninanspruchnahme und dafür relevante Instrumente der Raumplanung aufmerksam. Meine Arbeit befasst sich damit, ob und unter welchen Voraussetzungen eine Umsetzung des Ziels auf Gemeindeebene möglich ist und welche Herausforderungen und Erfolgsfaktoren dabei eine Rolle spielen.

Sie haben sich auf Auswirkungen und Handlungsmöglichkeiten in Gemeinden fokussiert. Wie sind Sie an die Fragestellung herangegangen?

Um die Rahmenbedingungen zu verstehen, die das Erreichen des Netto-Null-Ziels erschweren oder unterstützen können, wurden theoretische Grundlagen, die Definition und Berechnung der Flächeninanspruchnahme, das österreichische Planungssystem sowie relevante Politikpapiere analysiert. Im empirischen Teil erfolgte eine Nutzungskartierung in der Gemeinde zur Identifikation potenzieller Entwicklungsflächen. Diese bildete die Grundlage für eine Szenarienplanung, die verschiedene Wege aufgezeigt, wie das Netto-Null-Ziel erreicht werden könnte.

Anna Jansel hält eine Präsentation

Für Ihre Masterarbeit haben Sie auch eine Fokusgruppe in einer Gemeinde abgehalten. Welche Erkenntnisse und Erfahrungen haben Sie vor Ort gewonnen?

Die Fallstudie in der Gemeinde Grödig zeigt, mit welchen Herausforderungen wachsende Gemeinden konfrontiert sind – etwa begrenztem Bauland, hohen infrastrukturellen Anforderungen und der Schwierigkeit, unbebaute Flächen zu mobilisieren. Gleichzeitig führt der Nutzungsdruck auch zu einem wachsenden Bewusstsein bei den lokalen Akteur:innen für eine ressourcenschonende Entwicklung des bestehenden Siedlungsraums. Durch die hohen Baulandpreise setzen viele Bewohner:innen zunehmend auf Nachverdichtung, etwa durch Erweiterungen vorhandener Einfamilienhäuser.

Zudem zeigt sich, dass die Problematik weniger im Fehlen, sondern in der unzureichenden Anwendung bestehender Instrumente liegt. Als effektiv gilt in Grödig vor allem der Raumordnungsvertrag, während finanzielle Instrumente kritisch beurteilt werden, da etwa Infrastruktur-, Leerstands- und Zweitwohnsitzabgaben aufgrund der vielen Ausnahmen und niedrigen Beiträge bislang keine mobilisierende Wirkung entfalten.

Was sind die wichtigsten Ergebnisse Ihrer Masterarbeit in Bezug auf eine Umsetzung von Flächenkreislaufwirtschaft? Ist Netto-Null machbar?

Die Arbeit zeigt, dass die Umsetzung des Netto-Null-Ziels von verschiedenen Faktoren abhängig ist. Zentrale Voraussetzung sind eine klare Definition der Flächeninanspruchnahme sowie die Abgrenzung zur Innenentwicklung. Weiters trägt eine Bebauungsstruktur, die unterschiedliche Bebauungstypen und maßvolle Dichten berücksichtigt, wesentlich zur Flächeneffizienz und somit zur Zielerreichung der Netto-Null-Flächeninanspruchnahme bei. Ebenso zentral sind die Verfügbarkeit von Kompensationsflächen und die Mobilisierung bestehender Baulandreserven durch planungs- und bodenpolitische Instrumente. Unter den getroffenen Annahmen zur Baulandverfügbarkeit und baulichen Struktur in der Gemeinde ist eine Netto-Null-Politik grundsätzlich möglich. 

Anna Jansel und Verena Matlschweiger mit einem Blumenstrauß auf einer Treppe
Anna Jansel und Verena Matlschweiger (Abteilung III/6 - Koordination Regionalpolitik und Raumordnung aus dem BMLUK)

Was nehmen Sie für sich persönlich aus dem Prozess „Masterarbeit“ mit?

Meine Masterarbeit war eine Möglichkeit, mich intensiv mit einem Thema auseinanderzusetzen, das mir wirklich am Herzen liegt. Raumplanung und Bodenschutz sind für mich nicht nur fachliche Interessensgebiete, sondern zentrale Zukunftsfragen, zu denen ich persönlich einen Beitrag leisten möchte.

Besonders im Zuge der Fokusgruppe wurde mir die Komplexität dieses Themenfeldes deutlich vor Augen geführt. Ein Teilnehmer hat das sehr treffend formuliert: „Gerade die Raumplanung ist ein Themenfeld mit extremen, gegensätzlichen Interessen. Und da dazwischen irgendwie den goldenen Weg zu finden, ist gar nicht so einfach.“ Diese Spannungsfelder zu verstehen und Wege zu finden, sie in Einklang zu bringen, sehe ich als eine der spannendsten Aufgaben der Raumplanung und freue mich darauf, mein erworbenes Wissen und meine Erfahrungen, in meinem weiteren beruflichen Weg einzusetzen und weiter zu vertiefen.

Wir gratulieren Anna Jansel zur vollendeten Masterarbeit und wünschen ihr für ihren weiteren Weg alles Gute!

Das Interview führte Verena Matlschweiger aus der Abteilung III/6 - Koordination Regionalpolitik und Raumordnung. Das BMLUK-Stipendium wurde vom Geschäftsfeld Lebensraum Regionen als Beitrag zur Umsetzung der Strategie „Meine Region-Unser Weg“ in Kooperation mit der Jungen Österreichischen Geographischen Gesellschaft (JÖGG) vergeben.