Verordnung über die Wiederherstellung der Natur

Fischaufstiegshilfe
Foto: BMLUK / Alexander Haiden

Die Wiederherstellungsverordnung ist ein rechtsverbindlicher, langfristig angelegter Rahmen für die ökologische Wiederherstellung in Europa und ein zentraler Baustein der Biodiversitätsstrategie der EU bis 2030.

Die Verordnung deckt vielfältige Ökosysteme – von Flüssen über Wälder bis städtische Gebiete - ab und behandelt auch wichtige Querschnittsthemen wie Erneuerbare Energien und Landesverteidigung. Sie verpflichtet zur Einleitung und Umsetzung von Maßnahmen, um Flächen in einen guten Zustand zu bringen sowie zum Monitoring des Fortschritts. Die Realisierung dieser ambitionierten Ziele hängt in maßgeblich von nationaler Planung, vorhandener Datenlage, der finanziellen Ausstattung durch die EU und der Akzeptanz vor Ort ab. 

Worum geht es in der EU-Verordnung zur Wiederherstellung der Natur

Die Verordnung (EU) 2024/1991 über die Wiederherstellung geschädigter Ökosysteme (kurz: Wiederherstellungsverordnung) ist ein verbindliches europäisches Rechtsinstrument, das seit dem 18. August 2024 in allen Mitgliedstaaten unmittelbar gilt. Sie ist ein zentraler Baustein der Biodiversitätsstrategie der EU bis 2030 sowie des Europäischen Green Deals. Ziel der Verordnung ist es, die fortschreitende Verschlechterung natürlicher Lebensräume aufzuhalten und umzukehren. Dabei stehen nicht nur der Schutz der Artenvielfalt, sondern auch die langfristige Sicherung ökologischer Leistungen, von denen wir als Gesellschaft profitieren, im Fokus – etwa Bestäubung, Bodenfruchtbarkeit, Wasserqualität oder Klimaregulation.

Konkret sollen bis zum Jahr 2030 auf mindestens 20 % der Land- und Meeresflächen der EU Wiederherstellungsmaßnahmen eingeleitet werden. Langfristig wird angestrebt, sämtliche geschädigten Ökosysteme – sofern technisch durchführbar und wirtschaftlich tragfähig – einer ökologischen Verbesserung zuzuführen. Die Wiederherstellungsverordnung will damit auch einen Beitrag zur Klimawandelanpassung, Katastrophenvorsorge und Ernährungssicherung leisten.

Die Mitgliedstaaten sind verpflichtet, bis September 2026 nationale Wiederherstellungspläne vorzulegen. Diese sollen konkrete Maßnahmen enthalten und in enger Abstimmung mit relevanten Interessensgruppen entwickelt werden. Dazu zählen unter anderem Landnutzer:innen, Regionen, zivilgesellschaftliche Organisationen sowie Vertreter:innen aus Wissenschaft und Wirtschaft. In Österreich wird der nationale Wiederherstellungsplan in enger Kooperation zwischen Bund und Bundesländern, sowie unter Einbindung fachlicher Expert:innen, Stakeholdern und in einem weiteren Schritt auch mit Einbindung der breiten Öffentlichkeit erarbeitet.

Welche Ökosysteme behandelt die Wiederherstellungsverordnung?

Terrestrische, küsten- und binnengewässerbezogene Ökosysteme (Artikel 4)

Dieser Artikel verpflichtet die Mitgliedstaaten dazu, Maßnahmen zur Wiederherstellung von geschädigten terrestrischen, küstennahen und Binnengewässer-Ökosystemen zu ergreifen. Im Zentrum stehen Lebensraumtypen, die sich in einem schlechten Erhaltungszustand befinden. Die Liste der betroffenen Lebensraumtypen findet man im Anhang der Verordnung. Die Verordnung sieht eine schrittweise Ausweitung vor: Bis 2030 sollen mindestens 30 % dieser Flächen mit Wiederherstellungsmaßnahmen belegt werden, bis 2040 mindestens 60 % und bis 2050 mindestens 90 %. Zusätzlich soll der Fokus der Umsetzung bis 2030 auf bestehenden Natura2000 Gebieten liegen.

Meeresökosysteme (Artikel 5)

Marine Ökosysteme unterliegen einer ähnlichen Zielstruktur wie die in Artikel 4 angesprochenen Lebensräume. Auch hier sollen geschädigte Lebensräume wie Seegraswiesen, Riffe oder Laichgebiete in drei Etappen wiederhergestellt werden – mit den gleichen Zielwerten (30 %, 60 %, 90 %). Dieser Artikel hat für Österreich, mangels eigener Meeresgebiete, keine Umsetzungsrelevanz.

Städtische Ökosysteme (Artikel 8)

Dieser Artikel verpflichtet die Mitgliedstaaten, den Flächenanteil an städtischer Grünfläche und Baumkronen in besiedelten Gebieten mindestens auf dem heutigen Niveau zu halten. Bis zum Jahr 2030 darf es zu keinem Nettoverlust an Grünfläche in Städten kommen. Danach soll ein quantitativer Zuwachs erfolgen, wobei die Staaten nationale Zielwerte festlegen.

Als Indikatoren zur statistischen Messung der Zielerreichung gelten der Anteil der Grünfläche an der Gesamtfläche sowie die Baumüberschirmung an sich. Der Artikel reagiert auf die zunehmende Versiegelung städtischer Gebiete und betont den positiven Einfluss grüner Infrastruktur auf das Stadtklima. Konflikte mit Siedlungsdruck und Infrastrukturentwicklung sowie anderen Zielsetzung der Raumordnung, wie z.B. Ernährungssicherheit oder die Forcierung der Innenentwicklung bleiben jedoch bestehen.

Fließgewässer (Artikel 9)

Artikel 9 zielt auf die ökologische Durchgängigkeit von Flüssen und Bächen ab. Damit wird ein Beitrag zur Wiederherstellung natürlicher Gewässerdynamik und aquatischer Lebensräume geleistet. Bis 2030 sollen EU-weit mindestens 25.000 Kilometer an Fließgewässern durch die Entfernung oder Umgestaltung künstlicher Querbauwerke (z. B. Wehre, Schwellen) wieder frei fließend gemacht werden.

Die Maßnahme ist auf Standorte beschränkt, bei denen eine Entfernung aus Sicht des Hochwasserschutzes, der Energieerzeugung oder anderer öffentlicher Interessen vertretbar ist.

Landwirtschaftliche Ökosysteme (Artikel 11)

Dieser Artikel benennt vier Indikatoren zur ökologischen Bewertung landwirtschaftlich genutzter Flächen. Bis 2030 muss der Index häufiger Feldvogelarten sowie mindestens zwei der anderen drei Indikatoren in jedem Mitgliedstaat eine positive Entwicklung aufweisen:

  • der Schmetterlingsindex für Dauergrünland
  • der Anteil der Fläche mit hoch-diversen Landschaftselemente (z. B. Hecken, Blühstreifen)
  • der Gehalt an organischem Kohlenstoff in mineralischen Ackerböden.

Auch sollen laut diesem Artikel Maßnahmen zur Wiederherstellung und auch Wiedervernässung entwässerter, landwirtschaftlich genutzter organischer Moorböden ergriffen werden.

Artikel 27 enthält zudem eine Ausnahmeklausel: Falls die Ernährungssicherheit gefährdet ist, kann die Umsetzung von Artikel 11 unter Einhaltung bestimmter Voraussetzungen vorübergehend ausgesetzt werden.

Waldökosysteme (Artikel 12)

Dieser Artikel definiert acht Indikatoren, anhand welcher der Zustand von Waldökosystemen verbessert werden soll. Die Mitgliedstaaten sind verpflichtet, Maßnahmen umzusetzen, die sich positiv auf die Entwicklung der Indikatoren auswirken sollen. Bis 2030 muss der Index häufiger Waldvogelarten sowie mindestens sechs der sieben anderen Indikatoren in jedem Mitgliedstaat eine positive Entwicklung aufweisen:

  • das Vorkommen von stehendem Totholz,
  • das Vorkommen von liegendem Totholz,
  • eine ausgewogene Altersstruktur der Wälder,
  • die Erhöhung des Kohlenstoffvorrats,
  • die Verbesserung der Vernetzung von Waldflächen,
  • der Anteil heimischer Baumarten,
  • die Vielfalt der Baumarten.

Welche Querschnittsthemen spricht die Wiederherstellungsverordnung an?

Energie aus erneuerbaren Quellen (Artikel 6)

Dieser Artikel der Wiederherstellungsverordnung behandelt das Zusammenspiel von Projekten zur Erzeugung, Speicherung und Transport von erneuerbaren Energien und Wiederherstellungsverpflichtungen gemäß Artikel 4.

Er legt fest, dass der Ausbau erneuerbarer Energien als „überragendes öffentliches Interesse“ gilt. Dadurch können manche Anforderungen von Artikel 4 unter bestimmten Bedingungen ausgesetzt werden.

Dieser Artikel soll den Ausbau erneuerbarer Energien beschleunigen und gleichzeitig sicherstellen, dass die Ziele der Naturwiederherstellung berücksichtigt werden.

Landesverteidigung (Artikel 7)

Artikel 7 behandelt Sonderregelungen für Projekte der nationalen Verteidigung. Er legt fest, dass Vorhaben, die ausschließlich der Landesverteidigung dienen, als „überragendes öffentliches Interesse“ gelten. Wie bei Artikel 6 auch, können manche Anforderungen von Artikel 4 unter bestimmten Bedingungen ausgesetzt werden. Ziel ist es, sicherzustellen, dass notwendige Verteidigungsmaßnahmen nicht durch die Anforderungen der Verordnung behindert werden.

Bestäuber (Artikel 10)

Mit Artikel 10 wird der Rückgang wildlebender Bestäuberarten erstmals EU-weit adressiert. Bis zum Jahr 2030 soll dieser negative Trend gestoppt werden. Langfristig ist eine Erholung der Bestände vorgesehen.

Als Grundlage für die Bewertung dient ein standardisiertes Monitoringprogramm, das von allen Mitgliedstaaten durchzuführen ist. Die Europäische Kommission will einen entsprechenden Monitoringvorschlag noch 2025 vorlegen.

3 Milliarden zusätzliche Bäume (Artikel 13)

Artikel 13 der Wiederherstellungsverordnung legt fest, dass die Mitgliedstaaten auf Unionsebene bis 2030 mindestens drei Milliarden zusätzliche Bäume pflanzen sollen. Die Maßnahmen zur Erfüllung dieser Verpflichtung zielen darauf ab, die ökologische Vernetzung zu verbessern, und stützen sich auf nachhaltige Aufforstung, Wiederaufforstung und Baumpflanzung sowie den Ausbau städtischer Grünflächen.

Die Mitgliedstaaten sind verpflichtet, ihre Beiträge zu diesem Ziel in ihren nationalen Wiederherstellungsplänen darzulegen.

Finanzierung

Die EU-Kommission schätzt den jährlichen Finanzierungsbedarf EU-weit auf rund 6 bis 8 Milliarden Euro. Diese Mittel sollen zum großen Teil aus EU Geldern stammen. Aber auch private Investitionen, etwa über die EU-Taxonomie oder Green-Finance-Instrumente, könnten mobilisiert werden.

Zur Finanzierung wird (gemäß Artikel 21) die Europäischen Kommission bis spätestens 19. August 2025 dem Europäischen Parlament und Rat einen Bericht vorlegen. Dieser Bericht soll die vorhandenen EU-Finanzmittel darstellen, den Mittelbedarf beziffern, etwaige Lücken identifizieren und Vorschläge zu deren Schließung enthalten.

Zeitplan

  • 18. August 2024: Inkrafttreten der Verordnung
  • Bis 1. September 2026: Vorlage des ersten Entwurfs des Nationalen Wiederherstellungsplans
  • Bis 1. März 2027: Die Europäische Kommission gibt Rückmeldung zum Entwurf des Plans
  • Bis 1. September 2027: Abgabe des finalen Nationalen Wiederherstellungsplans
  • Bis 2030: Einleitung von Wiederherstellungsmaßnahmen auf mindestens 20 % der Land- und Meeresflächen
  • Bis 2040: Ausweitung der Maßnahmen auf 60 % der geschützter Lebensräume
  • Bis 2050: Maßnahmen für alle geschädigten Ökosysteme, soweit machbar

Das Wichtigste auf einen Blick

Titel: EU-Verordnung zur Wiederherstellung der Natur (EU 2024/1991)
Rechtlicher Status: Verbindliche EU-Verordnung, gilt unmittelbar seit 18. August 2024
Wesentliches Ziel: Wiederherstellungsmaßnahmen auf mindestens 20 % der EU-Land- und Meeresflächen bis 2030 und für alle geschädigten Ökosysteme bis 2050 einleiten
Umsetzungsinstrumente: Nationale Wiederherstellungspläne, Monitoring, Setzen von Maßnahmen zur Zielerreichung
Betroffene Bereiche: Alle Flächen der EU, wie Wälder, Moore, Flüsse, Meere, Agrarlandschaften, Städte, Bestäuber denkbar
Status der Umsetzung: Erstellung des 1. Entwurfes des Nationalen Wiederherstellungsplans (bis 01.09.2026)

HinweisHinweis

Der nationale Wiederherstellungsplan wird gemeinsam zwischen der Bundesebene und den neun Bundesländern ausgearbeitet. Zudem wird auf die Einbindung von Wissenschaft, Sozialpartnerschaft, Interessenträgern, wie der Zivilgesellschaft, und der breiten Öffentlichkeit wert gelegt.

Lesen Sie mehr über den Prozess zur Erstellung des Österreichischen Wiederherstellungsplans.